Feststellung des BGH: Genaue Formulierung im Fall X ZR 92/23

Rechtsprechung | 04.02.2025
Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit kommt es in vielen Fällen auf die genaue Formulierung der zu lösenden technischen Aufgabe an. In X ZR 92/23 konnten die Hoffmann Eitle Rechtsanwält:innen Peter Klusmann, Jan Carl Zillies, Dirk Schüßler-Langeheine, Clemens Tobias Steins und Melanie Schain den Bundesgerichtshof (BGH) davon überzeugen, dass die technische Aufgabe nicht darin besteht, neue Anwendungsgebiete für das angegebene Arzneimittel zu finden, sondern ein wirksames Mittel für die angegebene Behandlung bereitzustellen. Der Bundesgerichtshof erkannte auch an, dass selbst dann, wenn es nach dem Stand der Technik möglich erscheint, dass das Arzneimittel die für die Behandlung erforderlichen Eigenschaften aufweisen könnte, eine hinreichende Aussicht auf Erfolg bestehen muss, um die Offensichtlichkeit zu begründen. 
 
Im vorliegenden Fall ging es um einen zweiten medizinischen Verwendungsanspruch: Mirabegron zur Verwendung bei der Behandlung der überaktiven Blase. Es war bekannt, dass andere Verbindungen, die den ß3-Adrenozeptor stimulieren, die Symptome der überaktiven Blase lindern können, und dass eine hohe Selektivität für diesen Rezeptor erwünscht ist. Mirabegron wurde im Stand der Technik als Mittel mit ß3-Adrenozeptor-Aktivität beschrieben, ebenso wie eine große Anzahl anderer Verbindungen, und es war bekannt, dass nicht alle diese anderen Verbindungen gleichermaßen für die Behandlung der überaktiven Blase geeignet waren. 
 
Eine untere Instanz (das Bundespatentgericht) hatte das Patent widerrufen: Das technische Problem bestand darin, neue Verwendungsmöglichkeiten für Mirabegron zu finden, und es wurde festgestellt, dass die Bereitstellung einer zusätzlichen Behandlung mit einem bekannten Wirkstoff naheliegend war.

Der BGH hob diese Entscheidung auf. Unabhängig davon, ob der Ausgangspunkt die Wirkung von ß3-Adrenozeptor-Agonisten bei überaktiver Blase oder die Verwendung von Mirabegron zur Behandlung anderer Krankheiten ist, wurde das technische Problem als Bereitstellung eines wirksamen Mittels zur Behandlung einer überaktiven Blase formuliert. Obwohl diese Entscheidung im Einklang mit früheren Entscheidungen des BGH steht, ist sie im Bereich der Ansprüche auf medizinische Zweitverwendung hinsichtlich der Formulierung des technischen Problems und damit der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit dennoch bemerkenswert. Nach dem BGH ist das technische Problem recht weit zu fassen, und die Bereitstellung neuer Anwendungsgebiete ist keine geeignete Formulierung, nur weil das Klagepatent eine zusätzliche Indikation für einen bekannten Wirkstoff betrifft. Wenn sich aus der Formulierung der technischen Aufgabe Auswirkungen auf die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ergeben, dann ist sie wahrscheinlich falsch formuliert. 
 
Indessen reichten allgemeine Vorschläge und Hinweise (hier z.B. die Wechselwirkung von Mirabegron mit dem ß3-Rezeptor) nicht aus, um die Offensichtlichkeit zu begründen. Vielmehr sind konkrete Hinweise erforderlich, um eine hinreichende Aussicht auf Erfolg zu begründen.  

Alles in allem stellt diese Entscheidung einen bedeutenden Fortschritt bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit von Ansprüchen auf medizinische Zweitverwendung in Deutschland dar. Sie ist eine willkommene Nachricht für Patentinhaber, die ihre neuen Entwicklungen auf diesem wichtigen Gebiet schützen wollen.
zurück